Hugo Stern

War­um haben wir uns für Hugo Stern als Namens­pa­tron entschieden?

Der bis­he­ri­ge Schul­na­me berück­sich­tig­te nur den Schul­trä­ger „Pri­vat“ und die neue Schul­form „Sekun­dar­schu­le“, war also eine rein for­ma­le Beschrei­bung des Schul­typs. Eine Kon­kre­ti­sie­rung des Schul­na­mens lässt ein spe­zi­fi­sches pro­gram­ma­ti­sches Pro­fil der Schu­le erken­nen und schafft Identifikations­möglichkeiten. Durch einen ört­li­chen Bezug wird dies erleich­tert. Mit Hugo Stern hat der Trä­ger­ver­ein einen Rüt­he­ner Mit­bür­ger gewählt. Infor­ma­tio­nen zu sei­ner Bio­gra­phie sind wei­ter unten zusammengefasst.

Der Trä­ger­ver­ein der Schu­le hat daher ent­schie­den mit dem Beginn des Schul­jah­res 2022/23 den bis­he­ri­gen Schul­na­men zu erwei­tern in „Pri­va­te Sekun­dar­schu­le Hugo Stern“.

Ein­bin­dung in eine Rüt­he­ner ethi­sche Erinnerungskultur

Mit der Gedenk­ta­fel am Platz der ehe­ma­li­gen Syn­ago­ge, mit der Gedenk­ta­fel am jüdi­schen Fried­hof, mit den Stol­per­stei­nen und mit der Namens­ge­bung des Fried­rich-Spee-Gym­na­si­ums erfolg­te eine Erin­ne­rung an Zei­ten, die auch in Rüt­hen von Hass und Dis­kri­mi­nie­rung geprägt waren, aus denen es zu ler­nen gilt und die sich in kei­ner Form wie­der­ho­len dür­fen. Mit unse­rer Namens­er­wei­te­rung „Pri­va­te Sekun­dar­schu­le Hugo Stern“ erhält die­se Tra­di­ti­on in Rüt­hen eine aktu­el­le Akzentuierung.

Wer war Hugo Stern?

Hugo Stern, gebo­ren 1889, war der ältes­te Sohn einer jüdi­schen Fami­lie, die schon seit dem 18. Jahr­hun­dert in Rüt­hen leb­te und zuletzt ein Beklei­dungs­ge­schäft betrieb. Er besuch­te die Katho­li­sche Grund­schu­le, dann die Rek­to­rats­schu­le in Rüt­hen, bevor er zum Gym­na­si­um „Petrinum“ nach Bri­lon wech­sel­te. Er genoss eine ihn prä­gen­de christ­li­che Erzie­hung. Nach dem Abitur 1907 stu­dier­te er Jura und schloss schon mit 21 Jah­ren sein 1. Staats­examen ab. Es folg­te 1910/11 ein ein­jäh­ri­ger frei­wil­li­ger Mili­tär­dienst, bei dem er einen schwe­ren Unfall erlitt. Die Refe­ren­dar­zeit schloss sich an, in der er Zeit für eine Pro­mo­ti­on fand. 1914 mel­de­te er sich frei­wil­lig zum Kriegs­dienst und wur­de wegen sei­ner Ver­let­zung aber nicht an der Front eingesetzt.

Nach Kriegs­en­de und 2. Staats­prü­fung erhielt Dr. Hugo Stern 1922 eine Fest­an­stel­lung als Land­ge­richts­rat am Land­ge­richt Essen. Er hei­ra­te­te, die Kin­der Hein­rich und Karin wur­den gebo­ren, er war fach­lich aner­kannt und betrieb viel­fäl­ti­ge sport­li­che Akti­vi­tä­ten. 1933 erfolg­te ein jäher Bruch in sei­nem Leben und dem sei­ner Fami­lie. Auf­grund sei­ner jüdi­schen Her­kunft wur­de er frist­los von den Natio­nal­so­zia­lis­ten ent­las­sen. Aus sei­ner Esse­ner Woh­nung ver­trie­ben, kam er mit Frau und Kin­dern bei sei­ner Schwie­ger­mut­ter in Wies­ba­den unter. Obwohl er an eine bal­di­ge Wie­der­her­stel­lung des Rechts­staa­tes glaub­te, war die Rea­li­tät von einer lau­fend sich ver­stär­ken­den Dis­kri­mi­nie­rung und Unter­drü­ckung der jüdi­schen Deut­schen bestimmt. Wäh­rend Sohn Hein­rich recht­zei­tig zu weit­läu­fi­gen Ver­wand­ten in die USA geschickt wur­de, bemüh­te Hugo Stern sich erst nach den schreck­li­chen Ereig­nis­sen der Pogrom­nacht im Novem­ber 1938 um eine Flucht aus der gelieb­ten Hei­mat. Im April 1939 konn­te er mit Fami­lie und Schwie­ger­mut­ter auf­grund von Bürg­schaf­ten aus den USA von Liver­pool mit dem Schiff flie­hen. Nur mit je 2 Kof­fern, ohne Geld und Wert­sa­chen, vie­le per­sön­li­che Gegen­stän­de unter Trä­nen zurück­las­send, erreich­ten sie Kuba, wo sie auf die Ein­rei­se in die USA auf­grund ihrer Quo­ten­num­mer war­ten mussten.

1940 konn­te Hugo Stern mit Toch­ter dann nach Cleve­land wei­ter­rei­sen, wäh­rend sei­ne Frau bei ihrer Mut­ter blieb, die erst 1 Jahr spä­ter fol­gen durf­te. In den USA konn­te Hugo Stern sei­ne Rechts­kennt­nis­se nicht nut­zen, auch sei­ne schu­li­schen Sprach­kennt­nis­se in Grie­chisch, Latein und Fran­zö­sisch hal­fen nicht bei der Beschäf­ti­gungs­su­che. Er muss­te sich zur Siche­rung des Lebens­un­ter­hal­tes als Gele­gen­heits­ar­bei­ter ver­din­gen. So arbei­te­te er u.a. in einer Stahl­gie­ße­rei, als Park­platz­wäch­ter, als Ent­wick­ler in einem Foto­be­trieb, als Schlei­fer in einer Anten­nen­fa­brik und nachts besuch­te er die Uni­ver­si­tät, um sich als Wirt­schafts­prü­fer (Accoun­tant) aus­bil­den zu las­sen. Mit dem Erhalt der ame­ri­ka­ni­schen Staats­bür­ger­schaft 1945 fand er kurz­zei­tig Büro-Stel­len im ame­ri­ka­ni­schen Mili­tär­we­sen, doch auch hier wur­den Arbeits­plät­ze abge­baut. Für eine ehe­ma­li­ge Rich­ter­fa­mi­lie leb­ten wir lan­ge Jah­re in “äußerst demü­ti­gen Zustän­den”, erin­nert sich die Toch­ter. So wuchs bei Hugo Stern die Sehn­sucht nach der Hei­mat und der Ver­such, sei­ne frü­he­re Tätig­keit wiederaufzunehmen.

1950 kehr­te er nach Deutsch­land zurück und wur­de am Land­ge­richt Düs­sel­dorf ein­ge­setzt. Er kehr­te allein zurück ohne Frau und Kin­der. Die Frau woll­te ange­sichts des Holo­causts nicht zurück in das „Mör­der­land“, der Sohn stu­dier­te in Chi­ca­go, die Toch­ter mach­te ein land­wirt­schaft­li­ches Prak­tikum, um nach Isra­el aus­zu­wan­dern. Es war für Hugo Stern eine „Rück­kehr in die Frem­de“: Nicht nur Häu­ser waren zer­stört, auch sozia­le Bezie­hun­gen. An eine Rück­kehr der ver­trie­be­nen Juden bestand in der deut­schen Gesell­schaft wenig Inter­es­se. Als Rich­ter war Hugo Stern in Gna­den­sa­chen tätig. Der Kampf um Wie­der­gut­ma­chung setz­te ein, um die Ari­sie­rung von Grund­stü­cken und Mobi­li­ar, um den Vermö­gensraub durch die Reichs­flucht­steu­er etc.: Ein Kampf vor Gerich­ten, die mit NSDAP-Mit­glie­dern durch­setzt waren, und eher restrik­tiv urteil­ten, bei NS-Tätern aber Mil­de wal­ten lie­ßen. Der unter sei­ner Mili­tär­ver­let­zung und der ungewohn­ten kör­per­li­chen Arbeit in den USA lei­den­de Hugo Stern wur­de im Juli 1957 — 68-jäh­rig — pen­sio­niert. Schon im Janu­ar 1958 ver­starb er. Hugo Stern wur­de auf sei­nen aus­drück­li­chen Wunsch in Rüt­hen beerdigt.

 

Land­ge­richts­di­rek­tor Dr. Hugo Stern (aus­führ­li­che Bio­gra­phie erstellt von Dr. Hans-Gün­ther Bracht

Lern­pro­duk­te zu Hugo Stern

Unter­richt­li­che Nut­zung des Namens

Das Leben von Hugo Stern ermög­licht viel­fäl­ti­ge unter­richt­li­che Anknüp­fungs­punk­te in ver­schie­de­nen Jahr­gangs­stu­fen und Fächern, von denen eini­ge hier ange­führt werden:

  • Geschich­te des Juden­tums in Rüt­hen einschl. Exkur­sio­nen zu diver­sen Gebäu­den und zum jüdi­schen Friedhof
  • Aus­gren­zung und Ver­trei­bung durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten: von der Macht­über­ga­be bis zu den Deportationen
  • Rück­kehr aus den USA in eine frem­de, da ver­än­der­te Hei­mat und damit all­ge­mein die Fra­ge: „Was und wo ist Heimat?“
  • Die aktu­el­le Bedeu­tung von welt­wei­ten Fluchtbewegungen
  • Der kon­kre­te Migra­ti­ons­hin­ter­grund meh­re­rer Schü­le­rIn­nen und eini­ger LehrerInnen

Bip­ar­cours “Das Leben des Hugo Stern”

Die Klas­se 10b hat sich im Rah­men des Unter­richts im Fach Gesell­schaftsleh­re mit dem Leben von Hugo Stern in Rüt­hen aus­ein­an­der­ge­setzt. In die­sem Rah­men ist ein Biparcours zu sei­nem Leben ent­stan­den. Bip­ar­cours ist eine App des Lan­des NRW, mit der inter­net­ba­sier­te Erkun­dun­gen von Orten mög­lich sind. Der Rund­gang „Das Leben des Hugo Stern“ führt durch Rüt­hen. Die App führt den Nut­zer mit­hil­fe von Geo­da­ten zu Orten in Rüt­hen und berich­tet vor Ort, welche Rol­le dieser im Leben Hugo Sterns hatte oder for­dert dazu auf, von bestimm­ten Orten ein Foto zu machen.

Namens­fei­er am 12.11.2022

Namens­fei­er

Dies ist eine klei­ne Vor­schau auf den Bei­trag der WDR Lokal­zeit Südwestfalen.

Die­ser aus­führ­li­che Bericht erschien am 22.11.2022.

Hier fin­den Sie zum Nach­le­sen die Rede­bei­trä­ge im Rah­men der Namensfeier.

Dr. Hans-Gün­ther Bracht, Vor­sit­zen­der des Pri­va­ten Schul­trä­ger­ver­eins Rüt­hen e.V., deutsch / eng­lisch

Eva Tap­pe, Schul­lei­te­rin der Pri­va­ten Sekun­dar­schu­le Hugo Stern, deutsch / eng­lisch

Peter Wei­ken, Bür­ger­meis­ter der Stadt Rüt­hen, deutsch / eng­lisch